Skip to content

Mutwillensbekundung

Mutwillensbekundung published on

Ich will öffentlich Feministin genannt werden, bis das Wort kein Schimpfwort mehr ist.

Ich werde das Konstrukt „Geschlecht“ hinterfragen, und gleichzeitig vorbehaltlos akzeptieren, wenn sich jemand „Mann“ oder „Frau“ nennt. Oder weder noch. Oder beides.

Ich werde wütend sein und unbequem und laut.

Ich werde mich nicht zurückhalten.

Ich werde jedes Mal, wenn ich mich über etwas ärgere, etwas ändern. Jedes verdammte Mal!

Ich werde das Jammern denen überlassen, die sich mit der Welt abgefunden haben. Ich werde diese Welt zu meiner machen!

Ich werde Homophobie, Rassismus, Sexismus und Transfeindlichkeit, die ich erlebe oder die ich mitbekomme, als Diskriminierung entlarven.

Ich werde Diskussionen zu diesen Themen als Chance begreifen, etwas zu verändern und Menschen zum Nachdenken zu bringen.

Ich weiß, dass neues Wissen gewollt werden muss, und ich werde daher Hilfe zur Selbsthilfe geben. Und keine fertigen Lösungen.

Ich werde Macht dort, wo sie auf Privilegien beruht, nicht anerkennen und sie öffentlich anzweifeln.

Ich werde meine eigenen Privilegien hinterfragen. Und sie einsetzen, um nicht-priviligierten Menschen Raum und Gehör zu schaffen.

Ich werde nicht für andere marginalisierte Gruppen mitsprechen, sondern die Klappe halten und ihnen Raum lassen.

Ich werde niemanden „mitmeinen“. Ich werde sagen, wen ich meine. Ins Gesicht.

Ich werde mich verbünden, mit Gleichgesinnten zusammenrotten und vernetzen.

Ich werde solidarisch und, wenn nötig, nachsichtig sein mit Menschen, die das gleiche (oder ähnliches) erreichen wollen wie ich.

Ich will den besten Weg finden, Einfluss zu nehmen, und dann alles tun, was ich kann, damit sich die richtigen Dinge ändern.

Ich werde meine Aufmerksamkeit denen geben, die Achtung und Respekt haben, und denen nehmen, die hassen und verletzen.

Ich werde anstreben, meine Arbeitskraft denen zu geben, die meine Überzeugungen teilen, und denen entziehen, die sie mit Füßen treten.

Ich werde in Kaufhäuser gehen und die Spielsachen „für Jungs“ mit denen „für Mädchen“ mischen.

Ich werde meine ganze Kraft einsetzen, um jeden Tag etwas zu bewegen. In den Köpfen der Menschen und in der Welt.

Ich werde Produkte und Medien machen, unterstützen und kaufen, die nicht „Sparte“ sind und die von queeren Menschen, People of Color und antistereotypen Personen nur so strotzen oder von denen sie profitieren.

Ich will die Welt ändern und noch heute damit anfangen. Nicht morgen. Nicht gleich.

Jetzt.

Das Manifest entstand im Laufe des heutigen Tages auf Twitter unter dem Hashtag #mutwillig.

Frau mit Schaufel

Frau mit Schaufel published on 1 Kommentar zu Frau mit Schaufel

dig2 Für mich als Archäologin gehörte es schon im Studium dazu, hin und wieder mal graben zu gehen. Die ersten Grabungserfahrungen macht man bei uns normalerweise auf so genannten Lehrgrabungen, die von der Uni organisiert werden und auf denen man unter sich ist: alles Anfänger_innen, die sich nicht schämen müssen, wenn sie mal mit der Schubkarre den Hang runtersegeln, weil sie die Technik noch nicht raus haben. Später muss man sich dann „echte“ Grabungen suchen und dort über einen bestimmten Zeitraum arbeiten, um den für die Prüfungszulassung notwendigen Schein zu bekommen (oder einfach, um Geld zu verdienen, wenn man das Glück hat, bezahlte Grabungsarbeit zu finden).

Auf einer solchen Grabung war ich also, es war ein sehr, sehr heißer Sommernachmittag und wir alle waren aufgrund der Hitze ziemlich am Ende. Ich hatte meine eigene Grube abseits von den anderen und sah von Weitem eine Besuchsdelegation vom Denkmalamt anrücken. Einer der älteren Herren fand seinen Weg zu mir. Er duzte mich und fragte nach meinem Namen, was ich bereits seltsam fand, aber da der Umgang im Denkmalamt insgesamt locker und familiär ist, blieb ich nett und höflich. Und dann plötzlich die Frage

„Ist das nicht anstrengend, so als Frau?“

Ich war erstmal sprachlos. Und fassungslos. Und wütend. Und fühlte mich hilflos, weil ich vor lauter Ungläubigkeit keine knackige Antwort parat hatte.

Ja, es ist anstrengend. Weil ich nicht einfach in Ruhe arbeiten kann. Weil meine Fähigkeit, zu schaufeln, Dinge zu tragen und eine Schubkarre zu fahren an meinem Geschlecht gemessen und mir abgesprochen oder zumindest angezweifelt wird. Weil ich beharrlich darauf bestehen muss, den Job zu machen, für den ich eingestellt wurde. Weil ich oft genug auch bei extremer Hitze das Mehrfache leiste, damit niemand auf die Idee kommt, ich sei zu schwach. Weil ich verhasste Arbeiten (Schubkarre fahren z.B.) nicht abgeben kann, ohne abzuwägen, ob das auf mein Geschlecht und eine vermeintliche daraus resultierende Unfähigkeit zurück geführt wird. Weil ich oft genug das Gefühl habe, nicht bei der Arbeit zu sein, sondern ständig darauf vorbereitet sein muss, an einer Front zu kämpfen, die sich plötzlich aus dem Nichts auftut. Weil immer wieder Kommentare wie der oben genannte kommen.

Je nach Mitarbeitern [sic] ist es mal mehr und mal weniger anstrengend. Mit einer normalen Grabungsbelegschaft aus Denkmalamtleuten und fortgeschrittenen Studierenden konnte ich bisher meistens ungehindert meiner Arbeit nachgehen. Aufgaben wurden sinnvoll und fair verteilt und jede*r musste bzw. durfte alles einmal machen. Sobald aber Grabungsanfänger und Grabungshelfer (Freiwillige – meist ältere Männer – oder Ein-Euro-Jobber) dabei waren, ging regelrecht der Kampf los. Meine Fähigkeit für Aufgaben, die ich bereits wochenlang durchgeführt hatte, wurde in Frage gestellt, mir wurden wohlmeinend schwere Arbeiten abgenommen oder sogar verwehrt, Kommentare wie „Das ist doch viel zu schwer für dich“ waren kein Einzelfall. Ich musste darum kämpfen, meine Arbeit durchführen zu können, mir den Mund fusselig reden, immer wieder (durch extra volle Schubkarren und erhöhtes Arbeitstempo trotz praller Sonne) beweisen, dass ich sehr wohl in der Lage bin, meinen Job zu machen. Und immer wieder pauschalisierende Kommentare über Männer und Frauen anhören, die Zähne zusammenbeißen und hoffen, dass sie es irgendwann kapieren.

Das alles ist unheimlich frustrierend und kraftraubend. Und auf Dauer durch die zusätzliche Arbeitslast und die Notwendigkeit zur ständigen Kampfbereitschaft zermürbend.

Ja, es ist anstrengend, so als Frau. Aber nicht, weil ich biologisch eine Frau bin. Sondern, weil mich Zuweisungen und Stereotype hemmen, behindern, nerven – und am Ende die Arbeit für alle erschweren.

Ja, es ist schwer, so als Frau. Nicht, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich zu einer Frau* gemacht werde.

Primary Sidebar