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Von der Schwierigkeit, Wissenschaftlerinnen zu recherchieren

Von der Schwierigkeit, Wissenschaftlerinnen zu recherchieren published on 6 Kommentare zu Von der Schwierigkeit, Wissenschaftlerinnen zu recherchieren

Für meine Dissertation recherchiere ich zur Zeit Biographien berühmter Mathematikerinnen, Physikerinnen und Informatikerinnen. Dabei musste ich feststellen, dass das nicht so einfach ist, wie gedacht.

Sucht man auf Google nach „berühmte Physikerin“, wird man direkt weitergeleitet zu: „berühmte Physiker“:

Berühmte Physikerin = Berühmte Physiker?
Warum sollte ich auch nach „berühmte Physikerin“ suchen? (Wie absurd!) Offensichtlich habe ich mich verschrieben. Wie gut, dass Google mich korrigiert.

Auch wenn ich auf „stattdessen suchen nach: berühmte Physikerin“ klicke, sind die deutschsprachigen Seiten, die ich finde, seltener hilfreich als erhofft. Erster Treffer ist Wikipedias Liste von – Physikern . Diese Liste enthält zugegebenermaßen auch Physikerinnen, aber allein das Verhältnis der bildlich dargestellten Männer und Frauen liegt bei 26:2. Zweiter Treffer ist ein kruder Schulessay über fünf Physikerinnen. Es folgt der Deutsche Bildungsserver , der sich selbst als den „Wegweiser zur Bildung“ bezeichnet. Die Seite titelt zwar vollmundig „ Berühmte Physikerinnen und Physiker „, was an sich schon eine Leistung ist. (Frauen werden genannt, yay!) Die Liste der Frauen fällt dagegen mager aus: In der zehn Personen umfassenden Liste ist gerade mal eine genannt: Lise Meitner . Sie ist wichtig. Aber bei weitem nicht die einzige Frau auf diesem Feld.

Sucht man auf Wikipedia nach „Mathematikerin“ , wird man auf die Seite „Mathematiker“ umgeleitet:

Mathematikerin = Mathematiker?
Die Seite, die Wikipedia anzeigte, als ich nach „Mathematikerin“ suchte. Ist das rechts im Bild etwa ein angedeuteter Facepalm…?

Und wieso ist das relevant?

Wichtig ist hier, das Suchinteresse im Auge zu behalten. Wir leben in einer Welt, die sprachlich immer noch vom generischen Maskulinum dominiert wird. (Dass das an sich problematisch ist, ist in der Wissenschaft inzwischen mehr als hinreichend belegt .) Das generische Maskulinum besagt, Frauen seien grundsätzlich bei männlichen Bezeichnungen mitgemeint und müssen nicht gesondert genannt werden. Wählt in diesem Kontext eine Person ausdrücklich die weibliche Form für eine Suchanfrage, kann gefolgert werden, dass hier tatsächlich ausschließlich weibliche Suchergebnisse gewünscht werden.

Daher ist es ein Problem, dass die explizite Suche nach Frauen aber offensichtlich allgemeine oder explizit männliche Ergebnisse zutage fördert. Denn d ie gefundenen Texte behandeln Frauen nur am Rande. Andersherum ist das aber nicht der Fall: Sucht man nach „Mathematiker“, wird „natürlich“ nicht „meinten Sie: Mathematikerin“ vorgeschlagen. Das heißt, dass selbst wenn nach Frauen gesucht wird, diese nicht oder nur am Rande gefunden werden. Das macht es mir ungleich schwerer, die Informationen zu finden, die ich explizit suche.

Grace Hopper
Grace Hopper, Informatikerin und Badass. (c) Wikimedia Commons

Sicher: Es gibt immer die Möglichkeit, die Suche weiter zu konkretisieren und dann doch noch zu den von mir gesuchten Ergebnissen zu kommen. Ich kann bei Google auf den winzigen Schriftzug „stattdessen suchen nach: „berühmte Physikerin“ klicken, und bei Wikipedia weiter nach unten scrollen zur Liste bedeutender Mathematikerinnen . Aber warum wird mir das so schwer gemacht? Wieso werden mir diese Steine überhaupt in den Weg gelegt, wo ich schon explizit nach der weiblichen Form gesucht habe? Wikipedia könnte die Weiterleitung so einrichten, dass ich direkt zu der Liste bedeutender Mathematikerinnen geführt werde, wenn ich nach der weiblichen Form suche. Easy as pie.

Noch aus einem weiteren Grund ist diese Verzerrung problematisch: Sie suggeriert, dass Frauen in der Wissenschaft unbedeutend seien. „Bist du sicher, dass du nach „berühmte Informatikerin“ suchen willst?“ fragt mich Google. „Meinst du nicht eigentlich „berühmte Informatiker“? … Männer?“ Dass selbstverständlich nicht nur Männer Informatiker*innen sein können, beweisen Frauen wie Ada Lovelace , Grace Hopper und viele andere.

Die man aber zunächst nicht findet.

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