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Frauenfeindliche Morde und die fehlende Diskussion über misogynen Terror

Frauenfeindliche Texte und Hate Speech finden sich im Internet zu Hauf - Beleidigungen, Todesdrohungen, Vergewaltigungsphantasien, Stalking. Und immer wieder gibt es Leute, die Gewalt nicht nur androhen, sondern auch tatsächlich ausüben. Knochenweib schrieb letztens bereits über hegemoniale Männlichkeit und das System hinter Gewalt gegen Frauen.

Am 23. Mai ereigneten sich die Morde durch den 22-jährigen Elliot Rodger. Er hatte erst seine Mitbewohner erstochen und dann mit einer Waffe vor dem Haus einer Studentinnenverbindung zwei Frauen und einen Mann erschossen, mehrere Menschen wurden verletzt. Rodger hatte zuvor in mehreren Youtube-Videos seine Taten angekündigt und sich zu seinen Motiven geäußert.

"Ihr Mädchen habt euch nie für mich interessiert. Ich weiß nicht warum. Ich werde euch alle dafür bestrafen. Ich bin der perfekte Mann, und ihr schmeißt euch trotzdem an diese ganzen anderen dämlichen Typen ran. (…) Am Tag meiner Rache werde ich ins Gebäude der heißesten Studentinnenverbindungen meiner Uni gehen und ich werde jede einzelne blonde, verwöhnte Schlampe abschlachten, die ich dort sehe."

Zitat aus seinem Video , Übersetzung von Juliane auf kleinerdrei.org

Rodger wollte Frauen dafür leiden sehen, dass sie ihn ablehnten. Er glaubte, er habe ein Recht auf Zuwendung, Liebe und Sex, aber weil keine Frau dem nachkommen wollten, tötete Rodger - aus Frauenhass und aus Hass auf Männer, die einen "Status" erreicht hatten, der in seinen Augen ihm zustand.

Ein ähnlicher Fall dieser Art ist Anders Breivik, der 2011 im Regierungsviertel in Oslo eine Bombe zündete und dann auf der Insel Utøya mehrere Menschen erschoss. Breivik bekennt sich zu rechten Ideologien und ganz besonders zum Hass auf den Islam. Er hat ebenfalls ein Manifest hinterlassen und kurz vor seiner Tat ein Video mit seinen Thesen ins Netz gestellt.
Bei Breivik wird sehr wenig darüber gesprochen, dass er ebenso wie den Islam auch den Feminismus verabscheute: Frauen würden die Islamisierung befürworten und da der Feminismus die Machtbalance zwischen den Geschlechtern aus ihrer natürlichen Ordnung gebracht habe, fördere der Feminismus die Zerstörung der christlich-europäischen Gesellschaft.

"Das Schicksal der europäischen Zivilisation hängt davon ab, wie standhaft europäische Männer dem politisch korrekten Feminismus widerstehen können."

Zitat aus dem Guardian , Übersetzung der Autorin

Das Heraufbeschwören der politischen Korrektheit als Feindbild von Maskulisten ist nichts Neues. Nicht ohne Grund ist in der Studie der Böll-Stiftung zur antifeministischen Männerrechtsbewegung zu lesen, dass die rechtspopulistische Strömung des Antifeminismus sich kaum von Breivik distanziert. Breivik tötete 77 Menschen und es gibt Aussagen dazu, dass er immer zuerst die Mädchen/Frauen anvisiert habe.

Aus dem Jahr 1989 ist das Montréal Massaker bekannt, bei dem der 25-jährige Marc Lépin in einer kanadischen Hochschule 14 Frauen tötete sowie zehn Frauen und vier Männer verletzte. Lépin hatte zuvor einen Abschiedsbrief geschrieben:

"Zuerst erwähnte er, dass er dies aus politischen Gründen tut. Er sagte, Feministinnen hätten sein Leben ruiniert und dass er nie glücklich war im Leben, besonders in den letzten sieben Jahren (...)"

Zitat aus der Pressekonferenz der Polizei , Übersetzung der Autorin

Genau wie aktuell Rodger gab Lépin Frauen die Schuld an seinem unglücklichen Leben und genau wie Rodger und Breivik nannte er dies als Motiv für seine Taten. Lépin tötete in der Folge ganz bewusst Frauen: Er betrat einen Klassenraum der Hochschule und schickt die männlichen Schüler hinaus, um mit den Schülerinnen alleine zu bleiben. Er erklärte ihnen, warum er sie tötete:

"Ich bekämpfe den Feminismus."

Zitat aus Globalnews , Übersetzung der Autorin

Nach der Tat gab es u.a. eine Debatte um Gewalt in den Medien - quasi das Äquivalent um "Killerspiel"-Diskussionen, die heutzutage nach solchen Taten geführt werden. Es setzten aber auch feministische Proteste ein, die für die Anerkennung von Gewalt gegen Frauen als eigenständiges Problem kämpften. Antifeministische Gegenproteste gaben wiederum "dem Feminismus" die Schuld an der Tat Lépins. Die These, dass Frauen selbst Schuld sind, wenn sie feministische Thesen vertreten und dafür Gewalt erfahren, sind aus Netzdiskussionen mit Maskulisten hinlänglich bekannt. Lépin gilt unter Antifeministen als Held.

Ein weiteres Beispiel ist der 17-jährige Tim Kretschmer, der 2009 als "Amokläufer von Winnenden" bekannt wurde. Über seine Morde wurde monatelang berichtet und zu jedem Jahrestag wird das Thema medial wieder aufgewärmt.
Was wenig bekannt ist: Kretschmer tötete an seiner alten Schule zwölf Menschen - elf davon waren weiblich, also Lehrerinnen oder Schülerinnen. Die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch war eine derjenigen, die darauf hinwies, dass Kretschmer seine Opfer mit gezielte Kopfschüssen tötete und nicht etwa einfach wild um sich schoss. Die Opfer waren demnach ausgewählt und es handelt sich nicht um einen Zufall, dass das Geschlechterverhältnis so eindeutig ausfällt.
Der einzige Versuch, Frauenhass als Tatmotiv zu verhandeln, der es in die Medien schaffte, war leider sehr unseriös und an den Haaren herbeigezogen. Die Pornos, die auf Kretschmers Computer gefunden wurden, sollten belegen, dass er masochistische Sexphantasien gehabt habe, dass er sich für diese Lust geschämt habe und sich deswegen an Frauen rächen wollte. Nach diesem Ansatz gab es keinerlei weitere Diskussion zu dem Thema, Kretschmer löste vielmehr eine leidige Diskussion über "Killerspiele", aber glücklicherweise auch über Waffenbesitz, aus.

Mindestens die Aussagen von Elliot Rodger waren schon vor seiner Tat online einzusehen. Sie sind von Frauenhass durchsetzt und als Hate Speech einzuordnen. Die Polizei wurde auf seine Hasstiraden aufmerksam und besuchte Rodger zuhause. Sie stufte ihn trotz seiner gefährlichen Aussagen als ungefährlich ein und nahm die beschriebene Gewalt an Frauen vermutlich nicht als ernst zu nehmende Drohungen wahr.
Wenige Tage später wurde Rodger zum Mörder.

Auch in Deutschland wird Hate Speech kaum als Problem erkannt. "Dann schreib doch nichts mehr ins Internet, dann bekommst du auch nicht solche Antworten", sind die Reaktionen von Menschen, die Einblick in die Bedrohungen bekommen, die Feministinnen ereilen. Bei Hate Speech wird genauso Victim Blaming betrieben, wie bei anderer Gewalt oder sexualisierten Übergriffen.
Und selbst wenn es zu spät ist, werden die Zusammenhänge oft nicht erkannt. Während Taten, deren Täter*innen als muslimisch identifiziert werden oder als Spieler*innen bestimmter Computerspiele gelten, immer zu Grundsatzdiskussionen führen, ist das beim Motiv Frauenhass nicht der Fall. Die Tatsache, dass es Morde gibt, die von Männern verübt werden, die zuvor oder während der Tat durch Hate Speech und Frauenhass auffällig wurden, findet kaum bis gar nicht Eingang in gesellschaftliche Diskussionen.

Wann sprechen wir denn endlich über misogynen Terror?

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