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„Jetzt stehen wir hier und jetzt ist dieses Ding passiert – krass!“ – #GOA13 für den #Aufschrei

„Jetzt stehen wir hier und jetzt ist dieses Ding passiert – krass!“ – #GOA13 für den #Aufschrei published on 4 Kommentare zu „Jetzt stehen wir hier und jetzt ist dieses Ding passiert – krass!“ – #GOA13 für den #Aufschrei

Irgendwann im April kam diese E-Mail von Anne , die mich kreidebleich werden ließ: Der #Aufschrei sei für den Grimme Online Award nominiert und Nicole , Anne und ich sollten als Initiatorinnen zur Pressekonferenz und später zur Preisverleihung gehen. Mich hat das nachhaltig aufgerüttelt. Nicht, weil ich mir dringend eine Trophäe ins Regal stellen oder eine Urkunde an die Wand nageln wollte, sondern weil das alles plötzlich so real und anerkannt wurde. Da sind Menschen, die genau wie wir, die Wichtigkeit des #Aufschrei erkannt haben und das würdigen wollen.

Kathy hat in den letzten Wochen öfter das Thomas-Thomas-Theorem zitiert: „If men define situations as real, they are real in their consequences“ und dieser Satz geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. „Men“ meint in diesem Fall (hoffentlich?) „Menschen“, aber natürlich kann man sie auch einfach als „Männer“ ins Deutsche übersetzen und gerade wenn man den #Aufschrei betrachtet, scheint das immer noch die Sicht der Gesellschaft zu sein. Tausende Frauen sprechen teils zum ersten Mal aus, was ihnen passiert ist und weiterhin passiert. Statt dies hinzunehmen, wird an der Glaubwürdigkeit der Betroffenen gezweifelt und vom Thema abgelenkt – oft von Männern oder anderen Menschen, die das Glück haben, ein sichereres Leben zu führen: Der #Aufschrei sei erfunden. Die Menschen hinter den Tweets gebe es gar nicht. Es seien Accounts aus dem Boden gestampft und Follower*innen gekauft worden, damit die Sache glaubwürdiger erscheine. Es handle sich um eine breit angelegte Medienkampagne voller Lügen. Das alles passiere ja nur in diesem Neuland und habe in der Realität nichts bewegt.

Und was ist nun geschehen? Der #Aufschrei hat einen Grimme Online Award gewonnen. Nicht nur wir drei, sondern alle, die sich konstruktiv beteiligt haben. Der erste männliche Preispate des Abends, Jan Hofer, sprach für uns die Begründung der Jury und übergab den Preis. Wenn „Mr. Tagesschau“ auf einer Bühne steht und sagt, dass der #Aufschrei real und wichtig ist, dann ist das so. Der #Aufschrei hat aber gezeigt, dass hinter den Zahlen und Daten, die es zu Sexismus und sexualisierter Gewalt in Deutschland und der Welt schon lange gibt, echte Geschichten stehen. Das Problem Sexismus hat nun nicht nur ein Gesicht bekommen, sondern viele und wurde dadurch zugänglicher bzw. nachvollziehbarer.

Deswegen ist es letztlich auch so wichtig, dass wir alle uns unsere Urkunden an die Wand nageln . Wir sprechen in Deutschland nun über Seximus – nicht immer so differenziert wie es möglich wäre, aber wir sprechen drüber und wir können daran arbeiten, die Debatte weiter zu führen, zu vertiefen und als Gesellschaft Lösungen zu finden. Nicht nur unter Betroffenen, sondern gesamtgesellschaftlich. Das ist wichtig und richtig so. Und manchmal braucht es eben einen Mann mit Tagesschaustimme, um das deutlich zu machen – auch uns selbst.
Natürlich wird es immer Leute geben, die sich von ihrer These vom Untergang des Abendlandes nicht abbringen lassen, die weiter herumpöbeln, dass der #Aufschrei keinen Preis verdient habe, die Debatte überzogen sei und auf der Bühne nur ein paar Frauen in blöden Klamotten herumgestanden haben. Aber das ist egal. Was passiert ist, kann uns niemand nehmen. „Die Kritik und die Anfeindungen beinträchtigen die Relevanz der Debatte nicht“, hieß es im Einspieler der Preisverleihung.

Ich gratuliere uns allen <3

Von der Schwierigkeit, Wissenschaftlerinnen zu recherchieren

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Für meine Dissertation recherchiere ich zur Zeit Biographien berühmter Mathematikerinnen, Physikerinnen und Informatikerinnen. Dabei musste ich feststellen, dass das nicht so einfach ist, wie gedacht.

Sucht man auf Google nach „berühmte Physikerin“, wird man direkt weitergeleitet zu: „berühmte Physiker“:

Berühmte Physikerin = Berühmte Physiker?
Warum sollte ich auch nach „berühmte Physikerin“ suchen? (Wie absurd!) Offensichtlich habe ich mich verschrieben. Wie gut, dass Google mich korrigiert.

Auch wenn ich auf „stattdessen suchen nach: berühmte Physikerin“ klicke, sind die deutschsprachigen Seiten, die ich finde, seltener hilfreich als erhofft. Erster Treffer ist Wikipedias Liste von – Physikern . Diese Liste enthält zugegebenermaßen auch Physikerinnen, aber allein das Verhältnis der bildlich dargestellten Männer und Frauen liegt bei 26:2. Zweiter Treffer ist ein kruder Schulessay über fünf Physikerinnen. Es folgt der Deutsche Bildungsserver , der sich selbst als den „Wegweiser zur Bildung“ bezeichnet. Die Seite titelt zwar vollmundig „ Berühmte Physikerinnen und Physiker „, was an sich schon eine Leistung ist. (Frauen werden genannt, yay!) Die Liste der Frauen fällt dagegen mager aus: In der zehn Personen umfassenden Liste ist gerade mal eine genannt: Lise Meitner . Sie ist wichtig. Aber bei weitem nicht die einzige Frau auf diesem Feld.

Sucht man auf Wikipedia nach „Mathematikerin“ , wird man auf die Seite „Mathematiker“ umgeleitet:

Mathematikerin = Mathematiker?
Die Seite, die Wikipedia anzeigte, als ich nach „Mathematikerin“ suchte. Ist das rechts im Bild etwa ein angedeuteter Facepalm…?

Und wieso ist das relevant?

Wichtig ist hier, das Suchinteresse im Auge zu behalten. Wir leben in einer Welt, die sprachlich immer noch vom generischen Maskulinum dominiert wird. (Dass das an sich problematisch ist, ist in der Wissenschaft inzwischen mehr als hinreichend belegt .) Das generische Maskulinum besagt, Frauen seien grundsätzlich bei männlichen Bezeichnungen mitgemeint und müssen nicht gesondert genannt werden. Wählt in diesem Kontext eine Person ausdrücklich die weibliche Form für eine Suchanfrage, kann gefolgert werden, dass hier tatsächlich ausschließlich weibliche Suchergebnisse gewünscht werden.

Daher ist es ein Problem, dass die explizite Suche nach Frauen aber offensichtlich allgemeine oder explizit männliche Ergebnisse zutage fördert. Denn d ie gefundenen Texte behandeln Frauen nur am Rande. Andersherum ist das aber nicht der Fall: Sucht man nach „Mathematiker“, wird „natürlich“ nicht „meinten Sie: Mathematikerin“ vorgeschlagen. Das heißt, dass selbst wenn nach Frauen gesucht wird, diese nicht oder nur am Rande gefunden werden. Das macht es mir ungleich schwerer, die Informationen zu finden, die ich explizit suche.

Grace Hopper
Grace Hopper, Informatikerin und Badass. (c) Wikimedia Commons

Sicher: Es gibt immer die Möglichkeit, die Suche weiter zu konkretisieren und dann doch noch zu den von mir gesuchten Ergebnissen zu kommen. Ich kann bei Google auf den winzigen Schriftzug „stattdessen suchen nach: „berühmte Physikerin“ klicken, und bei Wikipedia weiter nach unten scrollen zur Liste bedeutender Mathematikerinnen . Aber warum wird mir das so schwer gemacht? Wieso werden mir diese Steine überhaupt in den Weg gelegt, wo ich schon explizit nach der weiblichen Form gesucht habe? Wikipedia könnte die Weiterleitung so einrichten, dass ich direkt zu der Liste bedeutender Mathematikerinnen geführt werde, wenn ich nach der weiblichen Form suche. Easy as pie.

Noch aus einem weiteren Grund ist diese Verzerrung problematisch: Sie suggeriert, dass Frauen in der Wissenschaft unbedeutend seien. „Bist du sicher, dass du nach „berühmte Informatikerin“ suchen willst?“ fragt mich Google. „Meinst du nicht eigentlich „berühmte Informatiker“? … Männer?“ Dass selbstverständlich nicht nur Männer Informatiker*innen sein können, beweisen Frauen wie Ada Lovelace , Grace Hopper und viele andere.

Die man aber zunächst nicht findet.

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